Demokratie - mit Herz gelebt. Jeden Tag.

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Nele Hoffmann
Projektleiterin


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(16. September 2024) Demokratie, ein gerechtes Leben für alle und eine friedliche Gesellschaft – das sind die Werte, die uns in der Diakonie Mitteldeutschland antreiben – nicht nur am Tag der Demokratie, der am 15. September gefeiert wird. Nach den Wahlen in Europa und Thüringen und mitten in aufgeheizten Debatten lohnt sich ein Blick auf die Demokratie-Arbeit besonders.

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Menschenrechte, Teilhabe, Koalitionsfreiheit – verschiedene Werte, die für eine Demokratie wichtig sind, werden mit dem großen Demokratie-Turm spielerisch vermittelt. (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Protestmärsche gegen friedliche und bunte Veranstaltungen, Rechtsrockkonzerte in kleinen Städten und Dörfern, fremdenfeindliche oder antisemitische Angriffe und Beleidigungen auf der Straße, Hakenkreuz-Schmierereien an Hauswänden und Hitlergrüße in der Straßenbahn. Schlagzeilen zu diesen und anderen Angriffen auf das friedliche und demokratische Miteinander liest man aktuell leider immer wieder. Deutlich wird, dass der Konsens unseres demokratischen Miteinanders zunehmend verächtlich gemacht und bedroht wird.

Die Wahrung der Demokratie und die Förderung demokratischer Prozesse ist eine wichtige Aufgabe der Diakonie Mitteldeutschland. Im Projekt „Demokratie gewinnt – In Sachsen-Anhalt und in Thüringen“ engagiert sich nicht nur ein kleines Projektteam, sondern vor allem ein Bündnis aus über 100 demokratieberatenden Mitarbeitenden aus allen Fachbereichen und nahezu allen Regionen von Erfurt und Halle bis nach Salzwedel und Greiz.

Gemeinsam wollen sich die Beraterinnen und Berater in ihrer täglichen Arbeit und im ständigen Kontakt mit anderen Menschen in den Einrichtungen für eine Gesellschaft einsetzen, in der alle Menschen teilhaben und sich einbringen können.

Demokratiearbeit ist für viele Mitarbeitende in der Diakonie mehr als nur ein Job – es ist eine Herzensangelegenheit. Begründet ist das im christlichen Menschenbild der Diakonie, das jedem Menschen die gleiche und unveräußerliche Würde verleiht. Die gelebte Nächstenliebe hat für die Diakonie einen hohen Stellenwert.


Demokratie viel mehr ist als ein politisches System

Das zeigt sich auch in den verschiedenen Gedanken, die Mitarbeitende verschiedenster Diakonie-Einrichtungen immer wieder bewegen. Es geht um Beteiligung, um Teilhabe verschiedenster Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Es geht darum, wie Einzelne ihre Talente einbringen und gestärkt werden können, wie Veränderung angestoßen werden kann, wie Barrieren abgebaut und Freiräume gestaltet werden können – ganz egal ob es um Kinder in der Kita, Seniorinnen in Pflegeheimen oder Wohnungslose in der Tafel geht. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, gehört zu werden und in unserer Gesellschaft Selbstwirksamkeit zu erleben. Das bedeutet, dass jeder Mensch aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft seinen Anteil haben soll und die Auswirkungen des eignen Engagements auch spüren kann. Das ist allerdings kein Selbstläufer. Es braucht Geduld, Energie und manchmal den Mut, Konflikte auszuhalten und Diskussionen mit Menschen zu führen, die eine ganz andere Position vertreten.

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Demokratie lebt vom Austausch und vom Dialog. In verschiedenen Austauschrunden teilen die Beraterinnen und Berater für demokratische Prozesse die Erfahrungen und Eindrücke, die sie in der Arbeit in diakonischen Einrichtungen gesammelt haben. (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Aktuelle rechte Tendenzen sind Gefahren für die Demokratie – sie wird in Frage gestellt und muss sich behaupten. Nicht alle Menschen betrachten andere als gleichwertig, mit gleichen Rechten und Teilhabechancen. Die Konsequenzen dieser Ansichten sind für jene groß, denen die Gleichwertigkeit abgesprochen werden soll. Diese Ansichten führen zur Diskriminierung, Herabsetzung und Ausgrenzung von Menschen, die ein Teil unserer Gesellschaft sind. In den vergangenen Jahren haben diese Einstellungen zu Hetze und gewaltvollen Übergriffen geführt.

In den geschützten Austauschrunden des Netzwerks „Demokratie gewinnt!“ berichten die Beraterinnen und Berater von ihren Erfahrungen, von offenen Fragen und auch von Ängsten. So schildert eine Demokratieberaterin, die in einem Wohnheim für Menschen mit Autismus arbeitet, welche Konsequenzen sich aus der Demokratiefeindlichkeit ergeben könnten: „Die Frage, was passiert, wenn bestimmte Parteien gewählt werden, macht mit Angst; mir persönlich, aber auch mit Blick auf meinen Arbeitsbereich. Dann könnte nicht nur meinen Klienten und Klientinnen die Existenzgrundlage entzogen werden, sondern auch mir, weil es mein Arbeitsbereich ist. Wir haben in Deutschland viel erreicht hinsichtlich Teilhabe und Inklusion. Natürlich gibt es noch immer viel zu tun und zu erreichen, aber wenn die falsche Partei gewählt wird, ist alles mit einmal hinüber. Da müssen wir immer wieder wachrütteln. Es geht darum, was jede und jeder einzelne macht. Das ist gesellschaftlich für mich sehr wichtig und sehr herausfordernd.“


Ja, Demokratie ist anstrengend!

Mit Blick auf diese Ängste und Sorgen ist es wichtig, Ausgrenzung zu widersprechen und den Zusammenhalt zu stärken. Nächstenliebe ist der Schlüssel, der ein besseres Miteinander und ein solidarisches Zusammenleben aller Menschen in der Gesellschaft ermöglicht. Wir dürfen nicht gleichgültig sein, wenn demokratische Werte in Frage gestellt werden. Eine klare Haltung ist dafür notwendig – und oft auch anstrengend in der Verteidigung.

Die Gestalt unserer Gesellschaft ist nicht in Stein gemeißelt. Wer sich aktiv einbringt und engagiert, kann sein Umfeld verändern. Demokratische Werte wie Respekt, Meinungsfreiheit, Toleranz und Solidarität können dadurch verteidigt werden, dass man sein Wahlrecht in Anspruch nimmt und demokratische Parteien wählt. Jede und jede kann sich aktiv engagieren. In Parteien, in Bündnissen und Vereinen, in der Kirche, in Gewerkschaften und anderen Zusammenschlüssen wird die Form unserer Gesellschaft bestimmt und gestaltet. Wichtig dabei ist, daran zu arbeiten, dass alle an diesen Stellen mitsprechen und teilhaben können. Es braucht Räume des Austauschs darüber, wie wir miteinander leben wollen. Das ist nicht immer einfach und definitiv auch anstrengend. Doch der Erhalt unserer Demokratie ist jede Mühe wert.

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Geschafft! Die neu ausgebildeten Beraterinnen und Berater für demokratische Prozesse sind in ihren Einrichtungen wichtige Ansprechpersonen für Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch für Klientinnen und Klienten. (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Demokratie im Alltag zu verteidigen kann ganz unterschiedliches bedeuten. „Es geht darum, miteinander im Gespräch zu bleiben trotz unterschiedlicher Haltungen. Ich lebe mit Menschen zusammen, die durch Rassismus bedroht und ausgegrenzt werden. Es ist nicht einfach, damit umzugehen. Klare Grenzen zu setzen und trotzdem offen zu bleiben, das ist ein tägliches Ringen ohne leichte Antwort. An meiner Pinnwand steht ein Spruch: ‘Es geht kein Mensch über die Erde, den Gott nicht liebt.‘ Das versuche ich mir immer wieder klarzumachen, wenn ich mich über das Verhalten anderer ärgere und ich an meine persönlichen Grenzen komme. Vor Gott ist jeder Mensch wertvoll,“ teilte eine Kirchenkreissozialarbeiterin ihre Gedanken zu Konflikten in einem Austauschgespräch mit.


Warum ist die Demokratie erhaltenswert?

Demokratie begleitet uns im Alltag, wenn wir Nachrichten lesen oder hören und immer dann, wenn wir wählen gehen. Sie ist die Grundlage dafür, wie wir miteinander leben und wie der Staat der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut ist. Demokratie ist eine Errungenschaft.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Zeit der nationalsozialistischen und diktatorischen Herrschaft noch nicht lange vorbei ist. In diesen Zeiten wurden über sechs Millionen Jüdinnen und Juden sowie Menschen aus anderen Minderheiten und Gruppen planmäßig ermordet. Politisch unliebsame Menschen wurden verschleppt, inhaftiert und gefoltert. Aus diesen Erfahrungen heraus wurde es notwendig, eine stabile Gesellschaftsform zu finden, die einen demokratischen Konsens hat, um solche Verbrechen in Zukunft zu verhindern: das Grundgesetz von 1949.

Im Grundgesetz finden wir die Grundrechte, die festlegen, welche Freiheits- und Gleichheitsrechte die Menschen in Deutschland besitzen. Doch es ist nicht selbstverständlich, dass diese Rechte immer für alle gelten. Viele Menschen kämpfen bis heute für ihre Sichtbarkeit und Anerkennung, wie Menschen mit Behinderung, deren Rechte erst 1994 ins Grundgesetz aufgenommen wurden. Die demokratische Teilhabe von Menschen mit Behinderung durch das Wahlrecht wurde sogar erst 2019 erreicht.

Die Rechte des Grundgesetzes sind zugleich auch Werte, die uns Orientierung geben, wie wir miteinander leben wollen und wie Menschen gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben und sie mitgestalten können. Diese Werte wurden uns nicht geschenkt, sie wurden von Menschen füreinander erkämpft, erarbeitet und durchgesetzt. Es ist unsere Aufgabe, dieses Erbe zu bewahren und gegen Angriffe zu verteidigen.

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In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Diese Fotowand zum „Tag der offenen Gesellschaft“ hat die Wünsche und Hoffnungen unterschiedlichster Menschen dokumentiert. (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Hintergrund: Das Projekt „Demokratie gewinnt! In Sachsen-Anhalt und Thüringen!“ richtet sich an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende diakonischer und kirchlicher Einrichtungen und bietet unter anderem die Qualifizierungsreihe „Beraterinnen und Berater für demokratische Prozesse“ an. Die Fortbildung vermittelt Wissen über Beteiligung, Diskriminierung, Beratung und Veränderungsprozesse. Die Teilnehmenden trainieren ihre Handlungsfähigkeiten in Konfliktsituationen und stärken ihre interkulturellen Kompetenzen. Sie lernen das Argumentieren gegen rechte Parolen und wie im Verband Demokratie gestaltet werden kann. Mehr zum Projekt erfahren Sie auf unserer Webseite.